Gastfreundschaft ist unsere gemeinsame Bühne – ein Blick hinter die Kulisse

Was Gastfreundschaft in Österreich ausmacht

Wenn ich morgens durch das Haus gehe, noch bevor die ersten Gäste zum Frühstück kommen, riecht es nach frischem Brot, die Kaffeemühle summt, Gläser glänzen in der Bar. In diesen stillen Minuten wird mir jedes Mal bewusst, was unsere Branche trägt: Gastfreundschaft. In Österreich ist sie mehr als ein freundliches Lächeln – sie ist Handwerk, Haltung und Herzblut zugleich.

Wir sind ein Land, in dem Service einen Beruf mit Tradition darstellt. Die klassische Lehre, die Meisterschaften in Küche, Service und Rezeption, der Fokus auf Genauigkeit und aufmerksame Höflichkeit – all das prägt Menschen, die später in Häusern auf der ganzen Welt bestehen. Österreichisch ausgebildete Fachkräfte sind geschätzt, weil sie Details ernst nehmen: der gerade angetragene Teller, das perfekt eingestellte Zimmer, der Blickkontakt, der nicht flüchtig ist, sondern sagt: „Ich bin da – für Sie.“ Diese Mischung aus Präzision und Wärme ist unser Markenzeichen.

Als Gastgeber ist uns genau das ausgesprochen wichtig. Wir möchten, dass Sie spüren: Da kümmert sich jemand. Nicht nur um Abläufe, sondern um Ihr Gefühl, angekommen zu sein. Gastfreundschaft ist kein Programm, sondern eine Beziehung – sie entsteht zwischen Menschen, jeden Tag neu.

Warum Wertschätzung durch den Gast das Herz der Gastfreundschaft ist

In der Hotellerie wird viel über Löhne, Schichten und Trinkgeld gesprochen. Das ist wichtig – und wir kümmern uns als Arbeitgeber um faire Rahmenbedingungen, verlässliche Dienstpläne und Weiterbildung. Doch das, was unsere tägliche Arbeit wirklich leuchten lässt, kommt vom Gast: ehrliche Wertschätzung.

Wertschätzung ist die unsichtbare Währung unserer Branche. Sie wirkt stärker und nachhaltiger als jede Zahl am Ende des Monats – weil sie genau dort ankommt, wo Service entsteht: beim Menschen, der sich für Sie ins Zeug legt. Ein kurzer Satz wie „Danke, Sie haben mir den Abend gerettet“, ein freundlicher Blick am Frühstücksbuffet, ein respektvoller Ton, wenn es einmal dauert – das sind Funken, die ein ganzes Team durch volle Abende tragen.

Trinkgeld kann Ausdruck dieser Anerkennung sein, ja. Aber viel entscheidender ist die Haltung dahinter. Es sind die kleinen Gesten, die Großes bewirken:

Manchmal beginnt Wertschätzung im Stillen: mit einem warmen „Guten Morgen“ und einem Lächeln, das wie ein Handschlag wirkt. Wenn etwas einen Moment braucht, schenkt uns ein bisschen Geduld die Zeit, Qualität reifen zu lassen. Fehlt etwas, freuen wir uns über ein leises Zeichen direkt im Haus – so wird aus einem Stolperstein schnell wieder ein runder Weg. Und wenn Sie später bewerten, dann mit Herz und Augenmaß. Unsere Räume sind geliehene Wohnstuben; wer sie achtsam behandelt und Menschen beim Namen anspricht, lässt Gastfreundschaft aufblühen – schlicht, ehrlich und gegenseitig.

Diese Form der Wertschätzung verändert mehr, als man denkt. Sie senkt die Lautstärke im System: Prozesse laufen ruhiger, Entscheidungen werden sicherer, neue Kolleginnen und Kollegen finden schneller hinein. Teams bleiben länger, weil sich Einsatz „lohnt“ – nicht nur finanziell, sondern menschlich. Und Sie spüren das unmittelbar: in der Atmosphäre, in der Sorgfalt, im echten Willkommen.

Natürlich gehört auch Arbeitgeber-Wertschätzung dazu – und die leben wir, indem wir investieren, zuhören und verlässlich sind. Aber der Funke, der aus Professionalität echte Gastfreundschaft macht, springt im Moment der Begegnung über – zwischen Ihnen und uns. Wenn dieser Funke leuchtet, entsteht das, weswegen man Jahre später noch von einem Aufenthalt erzählt: nicht vom perfekten Preis, sondern vom Gefühl, gesehen und gemeint zu sein.

Was sich in 20–30 Jahren verändert hat – und warum Wertschätzung brüchiger wurde

Ich sage es vorweg: Die große Mehrheit unserer Gäste ist aufmerksam, freundlich und fair. Und doch beobachten wir in der gesamten Branche Entwicklungen, die Wertschätzung leiser werden lassen – oft ungewollt.

1) Dauervergleich statt Vorfreude
Früher kam man mit einer Empfehlung, heute mit 20 offenen Tabs. Algorithmen gewöhnen uns daran, jederzeit „besser“ zu finden. Das erzeugt einen Suchmodus, in dem man im Haus eher Defizite entdeckt als gelebte Qualität würdigt. Wertschätzung sinkt, wenn der Blick ständig auf das eine fehlende Prozent schwenkt.

2) Sofortkultur & Ungeduld
Liefer- und Streaminglogik prägen Erwartungen: jetzt, fehlerfrei, personalisiert. Hotellerie ist aber Handwerk mit Menschen, Spitzenzeiten und Unwägbarkeiten. Wenn „sofort“ zum Standard wird, wirkt jedes normale Zeitfenster wie ein Mangel – der Ton kippt schneller, die Dankbarkeit schrumpft.

3) Anonyme Kommunikation statt Beziehung
Mehr Anfragen laufen über Portale, Chats und Messenger. Praktisch – aber entpersönlicht. Wo kein Gesicht und Name aufeinandertreffen, fällt es leichter, fordernd zu werden oder Kritik abzuladen. Wertschätzung wächst im direkten Kontakt; Distanz macht sie fragiler.

4) Bewertungsökonomie & Negativ-Bias
Bewertungen sind wichtig, doch der öffentliche Raum belohnt Zuspitzung. Ein einzelner Patzer wiegt online oft schwerer als zehn gelungene Momente. Wer bereits beim Check-in mit der inneren „Bewertungsbrille“ schaut, erlebt weniger Dankbarkeit – weil Wahrnehmung auf Fehlersuche kalibriert ist.

5) Erlebnisdruck & Inszenierung
Reisen ist heute häufiger Selbstinszenierung. „Wow-Momente“ sollen instagramtauglich sein; die stille Perfektion (ein pünktlich gereinigtes Zimmer, ein unaufgeregter Servicefluss) wirkt unsichtbar. Was unsichtbar scheint, wird seltener gewürdigt – obwohl genau dort die meiste Arbeit steckt.

6) Preisfokus durch Plattformmechanik
Starker Wettbewerb und Rabattschlachten verschieben den Fokus auf den niedrigsten Preis. Wer primär als „Deal“ bucht, empfindet Leistung schneller als „selbstverständlich“. Wertschätzung fällt leichter, wenn man Qualität nicht nur als Checkbox, sondern als gemeinsames Projekt versteht.

7) Veränderte Stammkultur
Mobilität und Angebotsvielfalt reduzieren langfristige Bindungen. Wo Stammgäste seltener werden, fehlt die natürliche Feedbackschleife aus Vertrauen, Humor und gegenseitiger Rücksicht. Kurzbeziehungen sind anfälliger für Missverständnisse – und damit für mangelnde Anerkennung.

8) Nachhall besonderer Jahre
Pandemie, Personalmangel, Lieferketten: Alle haben gelernt, mit Engpässen zu leben – und doch ist die Geduld vieler erschöpft. Kleine Friktionen treffen auf dünnere Nerven, auf beiden Seiten. Wertschätzung braucht Atem; nach fordernden Jahren ist er mancherorts knapper geworden.

9) Rollenbilder im Wandel
Service bedeutet dienen ohne zu dienern. Das ist für einige ungewohnt: Höflichkeit wird mit Unterordnung verwechselt – oder umgekehrt Souveränität als „kalt“ missverstanden. Wo Rollen unklar sind, gehen Respektmomente verloren.

10) Informationsüberfluss & Erwartungsunklarheit
Websites, Posts, Reviews – alles scheint gesagt, und doch bleiben Details offen. Aus Lücken werden schnell Ansprüche („Ich dachte, das sei inklusive“). Wenn Erwartung und Angebot auseinandergehen, leidet die Anerkennung für das, was tatsächlich geleistet wird.

Was wir uns wünschen – ganz konkret
Wir arbeiten daran, diese Spannungen zu entschärfen: klarere Kommunikation, noch persönlichere Begrüßung, ruhigere Prozesse im Hintergrund. Am stärksten wirkt jedoch Ihr Beitrag als Gast: ein freundlicher Ton, realistische Erwartungen, direkte Rückmeldung im Haus – und das kleine „Danke“, das mehr bewegt als man glaubt.

Was wir als Gastgeber darunter verstehen – und was wir brauchen

Wir nehmen Service wörtlich: dienen ohne zu dienern. Das heißt: aufmerksam sein, ohne aufdringlich zu werden; professionell bleiben, auch wenn es turbulent ist; Grenzen wahren, wenn Respekt verloren geht. Wer in Österreich eine Fachausbildung macht, lernt beides: Technik und Takt.

Als Haus investieren wir viel – in Weiterbildung, faire Dienstpläne, gute Produkte. Doch all das wird erst lebendig, wenn Sie als Gast es sehen.

Der gemeinsame Weg nach vorn

Was wünschen wir uns für die nächsten 20–30 Jahre? Häuser mit klarer Handschrift statt austauschbarer Perfektion. Teams, die wachsen dürfen. Gäste, die neugierig sind und ehrlich. Digitale Hilfen, die Nähe ermöglichen, statt sie zu ersetzen. Und eine Branche, die stolz ist auf ihr Können – ohne hochmütig zu werden.

Wir als Gastgeber versprechen: Wir hören zu, wir entwickeln uns, wir bleiben verbindlich. Und wir freuen uns über jedes Zeichen, das sagt: „Ich sehe eure Mühe.“ Denn am Ende entsteht der Zauber der Gastfreundschaft zwischen uns – nicht nur auf unserer Seite des Tresens.

Zum Nachdenken

Wenn Sie an Ihren schönsten Aufenthalt zurückdenken: War es der perfekte Preis, das größte Zimmer oder war es der Moment, in dem ein Mensch Sie wirklich gesehen hat – und welche Rolle möchten Sie als Gast künftig in dieser Begegnung spielen?

Von Markus Winzer, Geschäftsführer & Inhaber

PS: Die Ananas steht seit der frühen Neuzeit in Europa und Nordamerika für Gastfreundschaft. Als seltenes Luxusgut aus der Karibik signalisierte sie: „Ihr seid willkommen – wir geben das Beste.“ Deshalb findet man die Frucht bis heute als Motiv in Hotels, auf Türklopfern, Geschirr oder Logos – ein schlichtes Zeichen für Wärme, Großzügigkeit und Willkommenheißen.